Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat mit einem wegweisenden Urteil für Aufsehen gesorgt: Gehaltsverhandlungen könnten bald der Vergangenheit angehören. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf mögliche Konsequenzen des Urteils für Unternehmen und der Bedeutung für die Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsalltag.
Inhalt
Fakten zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Eine Frau aus Sachsen hatte gegen ihren Arbeitgeber geklagt, weil sie bei gleicher Berufserfahrung und Ausbildung für die gleiche Tätigkeit rund 1.000 Euro weniger Lohn erhielt als ihr männlicher Kollege. Die Frau und ihr Kollege vertraten sich über längere Zeiträume sogar regelmäßig gegenseitig. Dennoch verdiente die Angestellte auch nach der Einführung eines Tarifvertrags deutlich weniger als ihr Kollege. Der Arbeitgeber argumentierte, die Frau habe schlecht verhandelt und deshalb weniger Lohn bekommen. Das Gericht ließ dieses Argument jedoch nicht gelten und gab der Klägerin recht.
Das Urteil setzt ein wichtiges Signal gegen Diskriminierung und für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen bei gleicher Arbeit.
Der Gender Pay Gap
Mit dem Gender Pay Gap wird der Verdienstunterschied pro Stunde zwischen Frauen und Männern beschrieben. Frauen sind am Arbeitsmarkt weiterhin in vielerlei Hinsicht benachteiligt, insbesondere mit Blick auf Arbeitszeit und Einkommen. Laut statistischem Bundesamt (vgl. Destatis) verdienten Frauen im Jahr 2022 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18% weniger Lohn als Männer.
Weiterführende Informationen: Im Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland und in diesem Report des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI).
Unterschiede im Entgelt zwischen Geschlechtern weiterhin möglich
Es ist wichtig zu betonen, dass Unterschiede im Entgelt zwischen Beschäftigten verschiedener Geschlechter weiterhin zulässig sind, solange sie objektiv und geschlechtsneutral begründet sind. Beispiele hierfür sind Berufserfahrung und Qualifikationen. Das Bundesarbeitsgericht hat lediglich die Voraussetzungen hierfür konkretisiert. Arbeitgeber sollten in Fällen unterschiedlicher Entgelthöhen für vergleichbare Beschäftigte objektive Differenzierungskriterien dokumentieren, um Diskriminierung zu vermeiden.
Was das Urteil für Unternehmen bedeutet
Das jüngste Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist eine klare Ansage an die Unternehmen: Lohnerhöhungen sind keine Verhandlungssache mehr. Für viele gilt die Entscheidung des Gerichts als wichtiger Schritt in Richtung Lohngerechtigkeit.
Doch nicht alle sehen die Entscheidung positiv. Die Arbeitgeberlobby kritisiert, dass die Unternehmen zu wenig Spielraum bei den Lohnverhandlungen haben. Zwar haben Unternehmen nun die Möglichkeit, abweichende Vereinbarungen mit ihren Beschäftigten zu treffen, doch besteht die Gefahr, dass dies zu Ungleichbehandlungen führt.
Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern müssen laut Entgelttransparenzgesetz Auskunft über die Gehälter geben. Das Risiko von Klagen und Schadensersatzansprüchen für Arbeitgeber steigt nach dem Urteil somit, insbesondere für Unternehmen ohne klare Gehaltsstrukturen. Es bleiben aber weiterhin legitime Gründe für Gehaltsunterschiede, wie z.B. Berufserfahrung oder Qualifikationen. Unternehmen sollten nun ihre Gehaltsstrukturen überprüfen und gegebenenfalls anpassen, um möglichen Klagen vorzubeugen. Auch sollten sie sich bewusst machen, dass Klagen bis zu drei Jahre rückwirkend möglich sind und somit Nachzahlungen drohen können.
Auch wenn die Anforderungen gemäß §§ 10 EntgTranspG nach wie vor hoch sind und ein Vergleichsgehalt darüber hinaus insbesondere dann nicht angegeben werden muss, wenn die vergleichbare Tätigkeit von weniger als sechs Mitarbeitern ausgeführt wird, können die neuen Begebenheiten einige Unternehmen vor große Herausforderungen stellen.
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts bietet allerdings auch Chancen für Unternehmen: Die neue Regel schafft Klarheit über das Gehalt von Angestellten und eine faire Grundlage für alle Beteiligten. Dadurch erhalten Unternehmen mehr Sicherheit bei Gehaltsverhandlungen und es entsteht mehr Transparenz auf dem Arbeitsmarkt. Mit der richtigen Planung können Unternehmen dieses neue Gesetz nutzen, um ihr Personalmanagement effizienter und fairer zu gestalten – ein Plus für alle Beteiligten!
Was das Urteil für Arbeitnehmende bedeutet
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schon jetzt eine große Bedeutung. Wie eingangs erwähnt, setzt es ein klares Zeichen gegen Diskriminierung und für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen für gleiche Arbeit. Es dürfte klarstellen, dass der Lohn nach objektiven Kriterien (z.B. Qualifikation oder Erfahrung der Arbeitnehmenden) festgelegt werden muss. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden künftig mehr Rechte haben, ein angemessenes Entgelt einzufordern. Der Entscheid dürfte darüber hinaus mehr Transparenz in die Lohnstrukturen bringen, so dass die Unternehmen gezwungen sein werden, ihre Beurteilungskriterien zu überprüfen und allenfalls anzupassen.
Insgesamt wird die jüngste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts daher in Arbeitnehmerkreisen als großer Gewinn für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – insbesondere für Frauen und Minderheitengruppen – gewertet, da sie ihnen mehr Rechte bei der Forderung nach einem angemessenen Entgelt einräumt und Unternehmen zu einer fairen Entlohnungspraxis zwingt.
Fazit
Obwohl die Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt noch aussteht, ist bereits jetzt klar, dass die Entscheidung kontrovers diskutiert wird. Arbeitgeber sehen sich benachteiligt, während vor allem Arbeitnehmerinnen die Möglichkeit begrüßen, endlich besser gegen Ungleichbehandlungen vorgehen zu können.
Mit Spannung wird nun die schriftliche Urteilsbegründung erwartet, die zeigen wird, ob das Urteil des Gerichts nur für diesen Einzelfall gilt oder ob es, wie von vielen erhofft, grundsätzliche Bedeutung hat. Es bleibt also abzuwarten, wie sich das Urteil z.B. auf das Entgelttransparenzgesetz auswirken wird und ob eine Klagewelle auf die Unternehmen zukommt.
Sicher ist: Das Urteil wird die Diskussion um Lohngerechtigkeit und Chancengleichheit am Arbeitsplatz weiter anheizen. Es ist ein wichtiger Schritt in Richtung Chancengleichheit, aber es bleibt noch viel zu tun, um eine wirklich gerechte Arbeitswelt für alle zu schaffen.
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