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Zeugnissprache und Ihre Bewerbungschancen

Ein Arbeitgeber darf bei der Zeugnisschreibung nicht den Vorsatz haben, einem ausscheidenden Mitarbeiter zu schaden.
Zeugnissprache und Ihre Bewerbungschancen

Ihr Anrecht auf ein wahres und wohlwollendes Zeugnis

Ein Arbeitgeber darf bei der Zeugnisschreibung nicht den Vorsatz haben, einem ausscheidenden Mitarbeiter zu schaden. Ein vernichtendes Zeugnis ginge also viel zu weit. Die Verpflichtung zum wohlwollenden Zeugnis ist durch BGH Urteile gestärkt. Gleichzeitig ist dies jedoch kein Aufruf zur Schönfärberei, sondern für Arbeitgeber eine Mahnung zu konstruktiver Kritik.

Wenn einzelne Leistungsschwächen im Gesamteindruck einen eher geringen Umfang ausmachen, sollte der Arbeitgeber hier ein „Auge zudrücken“. Das Zeugnis sollte insgesamt also wohlwollend und höflich sein. Die Ausdrucksweise der Arbeitgeber und deren Zeugnisgeheimcodes machen es uns aber letztlich schwer durchschaubar, welche Noten im Zeugnis stehen.

Auch als Personalberater erlebe ich immer wieder wie wenig Wissen bei unseren Bewerbern und auch Junior Beratern über die Zeugnissprache überhaupt bekannt ist. Wir hatten das Thema schon einmal in unserem BLOG. Da dies aber schon eine Weile her ist, haben wir heute die Informationen nochmal aufbereitet.

Haben Sie Ihr letztes Arbeitszeugnis eigentlich richtig verstanden? Im Folgenden schauen wir uns ein paar Beispiele an.

„Er hat alle übertragenen Arbeiten ordnungsgemäß erledigt.“
„Sie
hat unserem Unternehmen großes Interesse entgegengebracht.“

Was wäre Ihre Einschätzung dieser zwei Zeugnisse?
Realistisch betrachtet reden wir hier von Schulnote 4-ausreichend und Schulnote 5-mangelhaft.

Ich würde mich mit einem solchen Zeugnis nur ungern bewerben, vor allem mit dem Wissen, dass ich vor dem Arbeitsgericht in kürzester Zeit ein erheblich besseres Zeugnis erhalten würde  – und das alles mit einem kleinen Formblatt/Antrag ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts.
99% der Verfahren wegen der Zeugnisnote gehen zugunsten des Klägers, also Arbeitnehmers aus.

Hier folgt nun die Dekodierung der Zeugnissprache. Sollten Sie mit Ihrem Zeugnis nicht zufrieden sein, dann können Sie sich jetzt wehren.

Übrigens müssen Sie zeitnah nach Erhalt des Zeugnisses reklamieren, zurückliegende Zeugnisse gelten als akzeptiert.

Im Zeugnis sind zwei Blöcke extrem wichtig

  1. Fachliches Know-How, Leistungsbereitschaft, Erfolg, Zielerreichung
  2. Persönliches Verhalten, soziale Integrität, Teamfähigkeit

 

Zu 1. gibt es folgende Zeugniscodes

  • Note 1: „…stets zur vollsten Zufriedenheit.“
  • Note 2: „…zur vollsten/stets zur vollen Zufriedenheit.“
  • Note 3: „…zur vollen Zufriedenheit.“
  • Note 4: „…zur Zufriedenheit.“
  • Note 5: „…im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit.“
  • Note 6: „…Er/Sie hat sich bemüht.“

 

Zu 2. gibt es folgende Zeugniscodes

Note 1: Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war jederzeit vorbildlich.
Note 1:  Er wurde wegen seines freundlichen Wesens und seiner kollegialen Haltung bei Vorgesetzten und Mitarbeitern sehr geschätzt.

Note 2: Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war jederzeit einwandfrei.
Note 2: Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war einwandfrei.

Note 3: Seine Zusammenarbeit mit Kollegen und Mitarbeitern war gut.

Note 4: Ihr Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten war korrekt und ohne Beanstandung.
Note 4: Sein persönliches Verhalten war insgesamt einwandfrei.

Note 5: Er war stets um ein gutes Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten bemüht.

Note 6: Sie hatte zu ihrem Mitarbeitern ein weit besseres Verhältnis als zu ihren  Vorgesetzten.

 

Was sollte nie im Zeugnis stehen

Einschränkende Aussagen, doppelte Verneinungen und zweideutige Sätze gehören nicht ins Zeugnis.
Ungünstig ist es auch, wenn weniger wichtige Aufgaben vor wichtigen stehen oder wenn bei den Tätigkeiten Kundenkontakt erwähnt wird, aber das Verhalten den Kunden gegenüber nicht bewertet wird.

 

Optimal wäre eine gute Schlussformulierung und ein Hinweis auf eine positive Trennung

Die Schlussformel rundet das Zeugnis ab. Mit ihr steht oder fällt ein Zeugnis. Die Schlussformel besteht in der Regel aus zwei Teilen:

-dem Grund
-dem Ausdruck des Bedauerns

 

Ausstellungsgrund:


Zwischenzeugnis (positiv):

„Auf Wunsch des Mitarbeiters wurde dieses Zeugnis ausgestellt. Er wechselt zum Ende des Monats in eine andere Abteilung.“


Kündigung
durch den Arbeitnehmer (positiv):

„Herr/Frau… verlässt uns auf eigenen Wunsch zum…“

 

Kündigung durch den Arbeitgeber (!!!hier aufgepasst)

Ob positiv oder negativ erkennt man schnell an der Formulierung und am Austrittsdatum.

  • Er/Sie verlässt uns auf eigenen Wunsch.“
    Bedeutung: „Er/Sie hinterlässt keine Lücke.“
  • „Er/Sie verlässt uns im gegenseitigen Einvernehmen.“
    Bedeutung: „Er/Sie kam damit einer Kündigung zuvor.“
  • „Wir wünschen ihm alles Gute und Gesundheit.“
    Bedeutung: „Achtung, der kränkelt!“
  • „Für die Zukunft wünschen wir ihm alles Gute, besonders Erfolg.“
    Bedeutung: „Erfolg hatte er hier nämlich gar keinen.“

Fällt das Kündigungsdatum auf Zeiten, die unmöglich unter Einhaltung einer gesetzlichen Kündigungsfrist nach BGB 622 ff. eingehalten wurden, ist das meist ein Hinweis auf ein starkes Zerwürfnis.

 

Ausdruck des Bedauerns

Positiv: Der Schlusssatz enthält 3 Teile

1. Wir bedauern das Ausscheiden sehr…..
2. Wir danken für die sehr gute Zusammenarbeit
3. Für die Zukunft wünschen wir Alles gute

Das Fehlen oder Auslassen verschiedener Teile, z.B. „erfolgreiche“ Arbeit, „angenehme“ Zusammenarbeit, ist immer als eine leichte Abstufung der Wertschätzung zu betrachten. Fehlt allerdings ein Teil ganz, ist dies eine negative Bewertung.

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